HV 2014 mit Philipp Müller

 

Die diesjährige Hauptversammlung stand im Zeichen des Besuchs von FDP Schweiz Präsident Philipp Müller. Vor der HV ergab sich die Möglichkeit eines Gesprächs mit Herr Müller.

Wofür steht „Ihre“ FDP (in wenigen Worten)? Wie verschaffen Sie unserer Partei ein klares Profil?

Müller: Die FDP steht für Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt. Diese Werte bilden die Grundpfeiler unserer Zukunftsstrategie für die Schweiz. Und sie verschaffen uns ein klares Profil. Wer nur Freiheit will, aber keine Verantwortung übernimmt, handelt fahrlässig. Wir Freisinnigen zeigen hingegen echten Gemeinsinn, indem wir nicht mit Extremlösungen wie die Linken und die SVP blockieren, sondern für konstruktive Lösungen einstehen. Und wir stehen wie keine Partei für den Fortschritt. Denn wer sich nicht weiterentwickelt und sich nicht dem Wettbewerb stellt, bleibt stehen und rostet. Wir aber wollen nicht rasten. Wir FDPler sind Schweiz-Turbos!

 

Warum soll man heute FDPler sein oder werden?

Müller: Wir stehen ein für ein freiheitliches und föderales Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das die Schweiz stark gemacht hat. Das bedeutet aber auch, dass wir alle Attacken auf dieses freiheitliche System energisch bekämpfen. Sei es linke Umverteilung, bis wir nur noch über ein Sackgeld selber verfügen können. Oder sei es eine Rückspiegelpolitik, die jeden Fortschritt verteufelt. Die Leute wollen wissen, wohin die politische Reise geht. Und das zurecht. Zentral ist für uns dabei, dass wir das heutige Erfolgsmodell Schweiz in die Zukunft führen können. Da stehen wir vor grossen Herausforderungen. Wir wollen, dass auch weiterhin alle jene Ausbildung bekommen können, die ihnen zusteht, dass das Gesundheitswesen bezahlbarer wird und trotzdem den hohen Standard halten kann, dass die Sozialwerke nicht auf die schiefen Ebene geraten und am Ende für viele nichts mehr bleibt, dass wir genügend Arbeitsplätze haben und in einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Gesellschaft leben können. Das alles zu erhalten und dafür zu kämpfen braucht mehr Gemeinsinn, also auch mehr Freisinn.

 

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die FDP in den letzten Jahren stetig Wähleranteile verloren hat und wie können wir Gegensteuer geben?

Müller: Das stimmt nur begrenzt. 2011 haben zwar auf nationaler Ebene zwar Wähleranteile verloren, doch in den kantonalen und kommunalen Exekutiven ist die FDP nach wie vor die stärkste Kraft. Und in den Kantonsparlamenten sind wir an zweiter Stelle knapp hinter der SVP. Zudem haben wir Anfang dieses Jahres erfolgreich einen Ständeratssitz im Kanton Glarus gegen BDP-Präsident Martin Landolt verteidigt. Das ist sehr erfreulich, denn die neuen Splitterparteien haben in der Vergangenheit Stimmen von uns geholt. Vor allem aber ist es im medialen Zirkus, wo die Extrempositionen von Links und Rechtsaussen dominieren, für eine Partei wie die FDP schwierig. Wir holen aber auch hier auf und kommunizieren unser klar freiheitliches Profil. Ich bin zudem überzeugt, dass wir unsere Kommunikation stetig verbessert haben und heute nicht mehr zu jedem Vorschlag noch eine halbe Dissertation als Erklärung benötigen.

 

Welche Bedeutung haben die Ortsparteien? Welche Erwartungen hat die FDP CH an die Ortsparteien und was tun Sie umgekehrt für diese?

Müller: Die Ortsparteien haben für mich eine zentrale Bedeutung. Sie sind es, die den Puls der Bevölkerung am besten spüren, sie wissen am besten, wo den Leuten der Schuh drückt. Das ist auch der Grund, dass ich seit meinem Amtsantritt gegen 300 Anlässe zwischen dem Genfer- und dem Bodensee besucht habe. Viele meiner Kolleginnen und -Kollegen im Parlament machen das genauso und berichten von ihren positiven, aber auch negativen Eindrücken. Diese sind ein Richtwert beim täglichen Politisieren.

 

Wie beurteilen Sie die besondere Situation der FDP in AR und was könnte die Schweiz von unserem urliberalen Kanton lernen?

Müller: Für die FDP ist der Kanton Appenzell Ausserrhoden der Traumkanton schlechthin! Wir würden uns natürlich wünschen, dass wir überall – wieder – 5 von 7 Regierungsmitgliedern stellen… nicht nur im Bundesrat! (lacht) Von der Appenzeller FDP können wir viel lernen, darum ist nicht zuletzt Andrea Caroni auf meinen persönlichen Wunsch hin im Vorstand der FDP.Die Liberalen Schweiz vertreten. Auch in operativer Hinsicht ist die FDP Appenzell ein Vorbild – auch sie pflegt das Motto „näher zur Basis“, das mir selbst so am Herzen liegt.

 

Inwiefern nimmt die FDP Schweiz die Anliegen der ländlichen Kantone wie AR wahr? Täuscht der Eindruck, dass sich die FDP-Politik nur in Bern und Zürich abspielt?

Müller: Wir haben mit Johann Schneider-Ammann zwar einen kompetenten Berner im Bundesrat und wir sind eine Wirtschaftspartei und Zürich neben Genf ein wirtschaftlicher Motor… doch wir sind auch Volkspartei! Der Eindruck täuscht sodann gewaltig: Gerade die Zusammensetzung im Vorstand der nationalen FDP zeigt, dass die Berg- und Landkantone in der FDP hervorragend vertreten sind. Und in Bundesbern haben wir starke Vertreter aus Landkantonen. Neben unserer Fraktionspräsidentin und früheren Urner Regierungsrätin Gabi Huber verweise ich gerne auf Hans Hess und Andrea Caroni. Und natürlich hatten wir mit Ruedi Merz einen hervorragenden Bundesrat „vom Land“!

 

Wie geht es weiter mit der Einwanderungsinitiative und wofür steht die FDP in dieser Causa?

Müller: Die FDP akzeptiert den Volksentscheid vom 9. Februar. Wir sichern dem Bundesrat unsere Unterstützung zur raschen Umsetzung zu und begrüssen deshalb, dass er bis Ende Juni ein Umsetzungskonzept erarbeitet und mit der EU sowie einzelnen Mitgliedstaaten schnell das Gespräch sucht. Rechtsunsicherheit ist Gift für Unternehmen und Arbeitsplätze in der Schweiz! Jetzt braucht es Einigkeit von allen Kräften sowie Gelassenheit im Umgang mit der neuen Situation. Zudem fordert die FDP ein internes Reformprogramm wie 1992. Unser Standort muss wettbewerbsfähiger werden, um Nachteile auf den EU-Exportmärkten zu kompensieren. Dazu gehören neue Freihandelsabkommen, weniger Kartelle und Handelshemmnisse und ein konsequentes Nein zu linken Umverteilungsvorschlägen.

 

Wie sollte die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU in den kommenden Jahren/Jahrzehnten gestaltet werden?

Müller: Das kann man heute noch nicht sagen. Hier ist der Bundesrat gefordert. Die FDP ist zuversichtlich, dass der Bundesrat unter der Leitung des Bundespräsidenten und Aussenministers Didier Burkhalter den Schaden für die Schweiz begrenzen kann. Wir werden uns äussern, sobald der Bundesrat einen entsprechendes Umsetzungskonzept vorgelegt hat. Inzwischen fordern wir, dass das für die Migration verantwortliche EJPD bis zur Sommersession unsere seit Jahren hängigen Vorschläge zur Beschränkung der Einwanderung aus Drittstaaten endlich umsetzt. Zweitens sind schweizweit Grenzgängerabkommen neu zu verhandeln und der Subventionierung von Grenzgängern durch Schweizer und ausländische Steuerzahler ein Ende zu setzen. Gerade jetzt brauchen wir eine kluge Einwanderungs- und Aussenpolitik.